Die Meeres-Biologin Denise Wenger ist seit Beginn ihres Schweinswalsichtungsprogramms 2007 einem Phänomen auf der Spur: Schweinswale kommen nach etwa 100 Jahren wieder regelmäßig in den großen norddeutschen Flüssen Ems, Jade, Weser und Elbe vor.
Diese Schweinswale haben sich nicht in den Flusslauf verirrt, sondern sie verfolgen ein Ziel: Nahrung.
Aufgrund der Datenlage müssen Schweinswale nun als fester Bestandteil der Biozönose der Flüsse betrachtet werden. Dabei muss der Zeitraum von etwa Mitte Februar bis Mitte Juni als besonders wichtig gelten, da zu dieser Zeit die Wanderungen in die Flüsse stattfinden und es Hinweise gibt, dass sich die Tiere bereits im Mai/Juni reproduzieren.
⇒ Rekord: So viele Schweinswale gab es noch nie in der Elbe – Hamburger Abendblatt
⇒ Schweinswal-Rekord in der Elbe – GEO.de
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Beachtung der Sichtungsdaten
Mit den kleinen Tümmlern in Jade, Weser und Elbe ist auch in den nächsten Jahren zu rechnen. Bestimmte Eingriffe in dieses Verbreitungsgebiet wie Rammarbeiten oder Baggerungen könnten sie allerdings fernhalten oder gefährden. Der Schweinswal ist nach der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie eine geschützte Art und bei Vorhaben, die in seinen Lebensraum eingreifen, muss eine Verträglichkeitsprüfung stattfinden und er in entsprechenden Umweltgutachten berücksichtigt werden.
In der Weser können wir bereits erste Erfolge verbuchen. Unsere Daten wurden bei Planungsfeststellungsverfahren mit einbezogen und bereits bei drei Vorhaben eine Verschiebung von Rammarbeiten zeitlich auf weniger sensible Monate erreicht.
Die Daten aus der Elbe stellten wir dem NABU Schleswig-Holstein zur Verfügung, der ein Gutachten über das Schweinswalvorkommen in der Elbe im Hinblick auf die Elbvertiefung in Auftrag gab, und zusammen mit anderen Naturschutzorganisationen gegen die geplante, umstrittene Elbvertiefung klagt.
Risiko im Fluss
Dass die vielbefahrenen Wasserstraßen Weser und Elbe keine besonders guten Lebensräume für Schweinswale darstellen, liegt auf der Hand. In den zum Teil sehr engen Flussläufen stellen anscheinend vor allem schnelle Motorboote eine Gefahr dar.
Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass Schweinswale Verletzungen durch Schiffsschrauben aufweisen, die nicht erst nach ihrem Tod entstanden sind, sondern als Todesursache in Betracht kommen.
Durch Schiffsverkehr oder Baggerungen werden Sedimente aufgewirbelt und Giftstoffe ebenso wie krankheitserregende, anaerobe Bakterien können ins Wasser gelangen und eventuell mit Feinstoffteilchen mit der Nahrung aufgenommen werden.
Langfristige Ziele unseres „Schweinswal-Fluss-Projekts“
- Förderung der Bekanntheit der Schweinswale und ihres Vorkommens in Ems, Jade, Weser und Elbe
- verbesserter Schutz der Schweinswale mit konkreten praktischen Schutzmaßnahmen
- Ausweisung von bevorzugten Schweinswalgebieten
- verbesserte Rettungsmaßnahmen für gestrandete Schweinswale
- positive Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der zuständigen Behörden
- Förderung ökologischer/nachhaltiger Fischereimethoden und damit Reduktion des Beifangs
- Förderung der Sympathie für die Kleinen Tümmler, auch bei Fischern
- weitere Reduktion der Gewässerverschmutzung und Maßnahmen zur Aufwertung der Habitate
⇒ Wie unterscheide ich zwischen einem Seehund und einer Kegelrobbe? (PDF)
Zusätzlich setzten wir uns für einen besseren Schutz der Meeressäuger in der Nordsee ein, z.B. durch Zusammentragen der Informationen über Beifangzahlen, Recherchen über Auswirkungen der Fischerei auf die Fischvorkommen sowie Analyse der gewonnen Erkenntnisse in Hinblick auf gebietsbezogene Bedeutung der deutschen Nordseeküste und der großen Flüsse für die Meeressäuger. Damit einher geht die Erarbeitung und Durchsetzung adäquater Schutzmaßnahmen für die Schweinswale durch Lobbyarbeit.
Denise Wenger 2011
Fotos:
Schweinswale am Elbufer: Sophia Wenger
Schweinswal bei Entenwerder (Elbe): Uwe Wichmann
Toter Schweinswal: G.Mühlener